(hoga-presse) „Nächster Skandal nur eine Frage der Zeit“: foodwatch fordert grundlegende Überarbeitung des EU-Lebensmittelrechts – Reformpläne der EU-Kommission nicht ausreichend.
Zu wenig Schutz für Verbraucher/innen
Die Verbraucherorganisation foodwatch hat eine grundlegende Überarbeitung des EU-Lebensmittelrechts gefordert, damit Bürgerinnen und Bürger besser vor Lebensmittelskandalen geschützt werden. Die Reformvorschläge der Europäischen Kommission griffen viel zu kurz, kritisierte foodwatch. Jüngste Fälle wie etwa der Skandal um Fipronil-verseuchte Eier zeigten, dass beispielsweise die Rückverfolgbarkeit entlang der Lebensmittellieferkette nicht konsequent verfolgt werde. Zudem seien Behörden bisher nicht verpflichtet, die Verbraucherinnen und Verbraucher schnell und umfassend bei Gesundheitsgefahren von Lebensmitteln zu informieren. Bei Betrug und Täuschung sehe das EU-Recht überhaupt keine Verpflichtung für die Behörden vor, die Öffentlichkeit zu informieren. Diese Schwachstellen müssten dringend beseitigt werden, forderte foodwatch am Dienstag auf einer Pressekonferenz in Brüssel. Um die Vorschriften des Lebensmittelrechts auch effektiv umzusetzen, brauche es darüber hinaus für Verbraucherverbände kollektive Klagerechte – ähnlich wie es beispielsweise für Umweltschutzorganisationen im EU-Recht verankert ist. Die Pläne der EU-Kommission für eine Reform des europäischen Lebensmittelrechts sehen bisher lediglich Verbesserungen der Risikobewertung von riskanten Stoffen vor, zum Beispiel bei der Zulassung von Unkrautvernichtungsmitteln.
„Egal ob Fipronil in Eiern, verseuchte Lactalis-Babymilch oder Pferdefleisch in der Rindfleisch-Lasagne: Die immer wiederkehrenden Skandale zeigen, woran das EU-Lebensmittelrecht krankt. Millionenfach wurden unsichere Lebensmittel an ahnungslose Verbraucherinnen und Verbraucher verkauft, die Rückverfolgbarkeit der betroffenen Produkte funktionierte nicht, die Behörden tappten lange im Dunkeln und selbst als diese Bescheid wussten, wurden die Bürgerinnen und Bürger nicht immer sofort über die Namen der betroffenen Produkte und Hersteller informiert – das muss sich ändern“, sagte Thilo Bode, Geschäftsführer von foodwatch International. Es reiche daher nicht, nur die Risikobewertung zu verbessern, wie es die EU-Kommission plane. „Es ist höchste Zeit, dass das EU-Lebensmittelrecht grundlegend neu aufgestellt wird. Sonst ist der nächste Lebensmittelskandal nur eine Frage der Zeit.“
Rückverfolgung wird nicht durchgesetzt
foodwatch kritisierte insbesondere, dass die im EU-Recht eindeutig vorgeschriebene lückenlose Rückverfolgbarkeit in der Lebensmittelkette niemals durchgesetzt wurde. So seien bei allen größeren Lebensmittelskandalen der letzten Jahre – von Salmonellen in Babymilch des französischen Herstellers Lactalis über mit dem Insektengift Fipronil belastete Eier bis zum Pferdefleischskandal – jeweils Millionen Produkte auf den Markt gelangt, ohne dass die Unternehmen und zuständigen Behörden die genauen Warenströme nachverfolgen konnten und betroffene Produkte aus dem Markt nahmen. Zudem wurden die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht ausreichend gewarnt. Im EU-Lebensmittelrecht müsse daher klar geregelt werden, dass die Behörden bei Verstößen schnell und umfassend die Öffentlichkeit informieren müssen – und zwar unter Nennung der Namen der Hersteller und Produkte sowohl in Fällen, in denen Gesundheitsgefahr besteht als auch bei Betrug. Außerdem forderte foodwatch für Verbraucherverbände die rechtliche Möglichkeit, Behörden zu verklagen, wenn diese ihre Verpflichtungen im Rahmen des EU-Rechts missachteten. Erst das schaffe das nötige Druckmittel für Verbraucherorganisationen.
Das allgemeine europäische Lebensmittelrecht, die sogenannte EU-Basisverordnung, wurde 2001 als Antwort auf die BSE-Krise („Rinderwahnsinn“) beschlossen. Im Rahmen des „REFIT-Prozesses“ (Regulatory Fitness and Performance Programme) der Europäischen Kommission soll es jetzt überarbeitet werden. Die EU-Kommission hat dazu im April 2018 einen Reformvorschlag vorgelegt, der vor allem die Risikobewertung verbessern soll. So sollen etwa Studien zur Sicherheit von Unkrautvernichtungsmitteln wie Glyphosat zukünftig besser öffentlich zugänglich sein. foodwatch kritisierte den Vorschlag als nicht ausreichend. Vielmehr müssten die grundlegenden Schwachstellen im EU-Lebensmittelrecht abgestellt werden. Die Verbraucherorganisation hat dazu acht konkrete Forderungen vorgelegt.
Schutz der EU gilt der Industrie, nicht den Verbrauchern
Thilo Bode von foodwatch: „Die EU schafft es nicht, 500 Millionen Verbraucherinnen und Verbraucher in Europa vor Gesundheitsgefahren und Täuschung im Lebensmittelmarkt zu schützen. Schlimmer noch: Die Europäische Union tut nichts, um die Situation zu verbessern, sondern schützt weiterhin die Interessen der Industrie.“
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Quelle: Pressemitteilung des foodwatch e. V. vom 10. Juli 2018.
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