Die Entwicklng vom Gartenlokal zum Hotel-Komplex
Der Kaisergarten in Siegen hat langjährige Tradition. Die Wurzeln reichen bis ins Jahr 1863 zurück. Die Initiative dafür ging vom Siegener Gastwirt Johannes Geffert aus, der zwischen Sandstraße und der Kampenstraße ein Gasthaus inmitten einer großen Gartenwirtschaft errichtete. In der Festhalle von „Geffert´s Garten“ und in den Grünanlagen fanden regelmäßig Theateraufführungen, Musikkonzerte und Kulturveranstaltungen, aber auch politische Veranstaltungen und Reden, statt. 1895 wechselte das Gasthaus den Eigentümer. In der Folge fand ein erster umfangreicher Umbau statt. Das Lokal fand Erweiterung um einen Saal mit Kegelbahn und Übernachtungsmöglichkeiten. Damit war der Grundstein für den späteren Hotel-Standort gelegt. 1906 waren die neuen Räumlichkeiten bezugsfertig.
Vom Reservelazarett bis Hospiz mit Hotelbetrieb
Im Ersten Weltkrieg bis 1918 diente der Kaisergarten als Reservelazarett zur Behandlung von verwundeten und erkrankten Soldaten. Nach einer grundlegenden Renovierung übernahm 1922 ein christliches Hospiz mit Hotelbetrieb das Objekt. In der Siegener Zeitung vom 17. Oktober 1922 heißt es dazu: „In unseren vollständigen neu eingerichteten 24 Fremdenzimmern mit 35 Betten finden unsere Gäste behagliche Unterkunft. Fließendes kaltes und warmes Wasser in allen Zimmern, Zentralheizung, elektrisches Licht, Bäder, Lese- und Schreibzimmer. Unsere drei Konferenzräume empfehlen wir Industrie und Handel, Vereinen und Korporationen. Die Konferenz- und Tagungsräume konnten auch weiterhin für private Feiern und Feste genutzt werden.
Der Kaisergarten Siegen in den 1930er Jahren und die Kriegswirren
Von Mai bis September 1937 erhielten die Innenräume des Hotels ein neues Aussehen. So wurden Saal- und Restaurationsbetrieb voneinander getrennt. Foyer und Empore des Saals wurden modernisiert. Zu diesem Zeitpunkt bot der Kaisersaal Platz für 900 Besucher, unter Einschluss Empore sogar für 1.200 Personen. Der kleinere Kupfersaal fasste bis zu 400 Gäste. Von 1932 bis 1942 war das Hotel Kaisergarten fremdverpachtet. Am 1. Januar 1943 ging das Eigentum des Kaisergartens für 310.000 Mark von der evangelischen Kirchengemeinde auf die Stadt Siegen über.
Bemühungen im Vorfeld, das Gebäude anderweitig zu veräußern, scheiterten im Vorfeld. Kein anderer Käufer war dazu bereit, das wirtschaftliche Risiko zu tragen; denn der jährliche Fehlbetrag belief sich auf 13.000 Mark. Für die Stadt stand der Erhalt des Hotelbetriebes im Fokus. Ebenso ging es darum, die beiden Säle für politische bzw. kulturelle Veranstaltungen zu nutzen.
Zerstörung des Kaisergarten-Hotels 1944
Der alliierte Luftangriff vom 16. Dezember 1944 legte nicht nur die Stadt Siegen, sondern auch das ganze Umfeld des Kaisergartens in Schutt und Asche. Der Kaisergartensaal brannte völlig aus. Zum Schutz vor Regen erhielten dieser und der Bühnenraum eine provisorische Dacheindeckung aus Blech. Zum ordentlichen Wiederaufbau des Hotels fehlten zunächst die erforderlichen Mittel. Erst nach dem Krieg konnte das Hotel wieder seinen Betrieb aufnehmen. Der Kupfersaal bot zumindest Raum für kleine Veranstaltungen.
Das Hotel Kaisergarten: Ein geschichtsträchtiger Ort
Das Gästebuch des Kaisergarten-Hotels belegt, dass in der Nachkriegszeit viele Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft im Kaisergarten logierten, unter ihnen NRW-Landwirtschaftsminister Heinrich Lübke (Oktober 1949) und Theodor Heuss, der erste Bundespräsident, der anlässlich einer FDP-Tagung Gast war. 1952 wurde im Kaisergarten Siegen „Weltpolitik“ geschrieben. So fand am 14. März 1952 im Konferenzzimmer des Kaisergartens die erste Evangelische Arbeitstagung der CDU Deutschland zum Thema „Die gesellschaftliche Ordnung“ statt. Anlässlich dieser Veranstaltung gab Bundeskanzler Konrad Adenauer am 16. März 1952 seine erste öffentliche Stellungnahme zur Stalin-Note ab und bekannte sich zu den Westmächten.
Abbruch des alten Kaisergarten-Hotels
Im April 1952 bot die Stadt Siegen, um eine Beschlagnahme von Privathäusern zu verhindern, den Kaisergarten der belgischen Besatzungsmacht als Alternative an, doch lehnte diese ab. Mitte Juli 1952 wollte sich die Stadt des 4.315 qm großen Grundstücks entledigen. Sie bot das Stadthotel Kaisergarten inklusive Garagen und Saalgebäude einzeln oder in seiner Gesamtheit zum Kauf an. Allerdings fand sich kein Käufer, so dass das ehemalige Stadthotel Kaisergarten ab 1953 als Notunterkunft für Flüchtlinge und Aussiedler diente. Im Sommer 1961 ließ die Stadt das Hotel Kaisergarten bis auf die Grundmauern abreißen. Lediglich der Kupfersaal und der große Saal, der einem Möbelhaus als Lager diente, blieben erhalten. Ende September 1968 fiel die Entscheidung, auch die noch verbliebenen Reste der Gebäude des ehemaligen Hotels Kaisergarten inklusive des angrenzenden Kaisersaals, abzubrechen. Die dafür erforderliche Genehmigung erteilte die Stadt Anfang Oktober 1968.
Planungen für den Neubau eines neuen Hotels am Kaisergarten
Bereits im Februar 1968, also noch vor dem Abriss des Altbestandes, kam die Idee auf, am selben Standort ein 14-stöckiges Hochhaus mit einem fünfgeschossigen Hotel und einem Ladenzentrum zu realisieren. Die Bauvoranfrage für den „neuen Kaisergarten“ ging im Februar 1968 bei der Stadtverwaltung ein. Nach dem Abbruch der beiden Hotels Huthsteiner und Monopol bestand plötzlich wieder ein größerer Bedarf an Betten und Übernachtungsmöglichkeiten. Dies beschleunigte die Planungen, die letztlich den Bau eines „nur“ achtgeschossigen Hotel-Neubaus präferierten.
Hollstein-Hotelgruppe übernimmt Kaisergarten-Hotel
Für den Bau des Hotels galt es nun, einen Investor zu finden. Doch dies war nicht so einfach. Aus den Reihen der regionalen Wirtschaft bestand kein Interesse, ein solch finanzielles Risiko auf sich zu nehmen. Im April 1968 gab die Neu-Eröffnung des Schlossberg-Hotels in Freudenberg die Möglichkeit, Kontakt mit dem Eigentümer des Objektes, Heinz Hollstein, aufzunehmen. Er erklärte sich ohne längeres Zögern dazu bereit, das Hotel am vorgegebenen Standort am Kaisergarten in Siegen zu errichten.
Neben dem Hotel in Freudenberg betrieb Hollstein zu diesem Zeitpunkt bereits ein weiteres in Dreieich bei Frankfurt (Hotel Rhein-Main) mit 130 Betten, das 1965 seine Türen öffnete. 1971 kam ein weiteres in Friedrichsdorf bei Bad Homburg (Hotel im Taunus mit 190 Betten), 1974 in Lüdenscheid (Hotel am Stadtpark mit 290 Betten) und in Hagen hinzu. Offenbar gab es darüber hinaus weitere Expansionspläne der Hollstein-Hotelgruppe, die aber keine Umsetzung mehr fanden.
Baubeginn des Kaisergarten-Hotels im Februar 1969
Die Ausschachtungsarbeiten für das neue Hotel am Kaisergarten begannen im Februar 1969. Die ambitionierten Planungen von Hollstein sahen vor, den Rohbau vor Eintritt der Winters zu vollenden. Diese Hoffnungen zerschlugen sich wegen des früh einsetzenden Winters. Bis dahin konnten lediglich in vier Etagen die Fenster eingebaut und das Gebäude so bedingt wetterfest gemacht werden.
Im Mai 1970 waren die Bauarbeiten abgeschlossen und das Hotel – „ein Haus der Superlative von Weltformat“ – konnte im Monat darauf öffnen. Die Kosten für die Errichtung des Hotelkomplexes mit 104 Zimmern, 170 Betten, Tagungsräumen und Panoramabad in der achten Ebene beliefen sich auf 4,5 Millionen DM. So war das Hotel für Gäste der im September 1970 in Siegen stattfindenden Schach-Weltmeisterschaft gerüstet. Dabei handelte es sich um die letzte Schacholympiade, die auf deutschem Boden ausgetragen wurde. Etwa 4.300 Zuschauer waren anwesend, als die beiden besten Spieler der Welt, Spasski und Fischer, gegeneinander antraten. Fischer kam während dieser Zeit im Kaisergarten unter.
Verkauf des Kaisergarten-Hotels
Nach erfolgreichen Geschäftsjahren zog sich Hollstein Anfang der 1980er Jahre aus der Firmenleitung zurück. Sämtliche Objekte der Hollstein-Kette inklusive des Kaisergarens Siegen gingen an neue Inhaber. In den folgenden Jahren wechselten die Eigentümer und Pächter, darunter Unternehmen wie die englische Crest-Gruppe, Queens und Ramada, wiederholt. Im Februar 2012 erwarben zwei Hoteliers aus Düsseldorf das Hotel für 2,2 Mio. EUR aus der Zwangsversteigerung heraus. Aktuell wird das Hotel von der Hotelkette H+ (ehemals Ramada) als Pächterin betrieben.
Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft sowie Film & Fernsehen stiegen seitdem regelmäßig im Hotel am Kaisergarten in Siegen ab. So konnte der langjährige Hotel-Direktor Joachim Kühn u. a. Pierre Brice, Frank Elstner (Wetten Dass), Blacky Fuchsberger und Otto Waalkes begrüßen.
Quelle und Bildquelle: Redaktionsbeitrag, Frank Baranowski
Ich bedanke mich ganz herzlich bei den vielen Personen, die mir bei meinen Recherchen behilflich waren, mir Informationen lieferten und Bildmaterial zur Verfügung stellten. Besonderen Dank gilt Herrn Joachim Kühn, der aus seiner Direktoren-Zeit zahlreiches Fotomaterial zur Verfügung stellte.