Wandlung vom Bergbaurevier zur Touristenattraktion
(hoga-presse) Scheinbar nutzlos geworden recken sich mächtige, nahezu furchterregende Kolosse in die Luft. Aus der Nähe präsentieren sie sich in morbider Schönheit. Fünf vor der Verschrottung bewahrte Braunkohle-Bagger wurden zu neuem Leben erweckt. Auf einer künstlich entstandenen Halbinsel im Gremminer See zwischen Oranienbaum und Gräfenhainichen fanden die 7.000 Tonnen Stahl eine zeitgemäße Verwendung.
Stillgelegt bilden die bis zu 130 Meter langen und bis zu 30 Meter hohen Exemplare den Kern eines weltweit einzigartigen Freiluftmuseums. 150 Jahre Braunkohleförderung in Mitteldeutschland haben ein Denkmal erhalten. Ferropolis, die Stadt aus Eisen, will jedoch mehr sein als ein begehbares Zeugnis einer untergegangenen Industrieepoche.
Entdeckertouren zur Historie sind ein Teil der vielfältigen Angebote. Bergleute laden zu „Wanderungen“ über einen der großen Bagger ein. Tauchen im See, Radtouren, Fahrten mit dem Segway gehören zu den weiteren Offerten der ungewöhnlichsten Stadt Deutschlands. Im Sommer verwandelt sich deren Zentrum zu einer riesigen Veranstaltungsarena. Eingerahmt von den effektvoll angestrahlten Großgeräten aus den Zeiten des Braunkohletagbaus können bis zu 25.000 Besucher Konzerte erleben.
Im y-förmigen Raum gastierten Künstler wie Udo Lindenberg, Pur, Peter Maffay, Herbert Grönemeyer, die Phudys und André Rieu. Übrigens eröffnete im Jahr 2000 der griechische Komponist Mikis Theodorakis mit einem Auftritt die Arena offiziell. Das Konzept von Ferropolis ist aufgegangen. Mehr als eine Million Menschen waren dort inzwischen zu Gast.
Ganze Landschaften veränderte der Braunkohletagebau in Sachsen-Anhalt. Knappe 30 Jahre „fraßen“ die riesigen Bagger in Golpa-Nord Äcker, Dörfer und Wälder. 340 Millionen Tonnen Abraum wurden bewegt, 70 Millionen Kubikmeter Braunkohle gefördert. Das „braune Gold“, für die Volkswirtschaft der DDR mit ihrem chronischen Devisen- und Rohstoffmangel unverzichtbar, prägte die Landschaft, die Menschen. Die Großkraftwerke Zschornewitz und Vockerode erzeugten mit der Golpaer Kohle anfangs Energie für die Chemieindustrie in Piesteritz und Bitterfeld, später floss der Strom weiter bis nach Berlin und Sachsen.
Komplett fluten und neu gestalten wäre eine der bis dahin üblichen Maßnahmen für den nach der Wende stillgelegten Tagebau gewesen. Das hätte ganz logisch auch die Verschrottung der riesigen Bagger und der anderen überdimensionalen Tagebautechnik bedeutet. Genau im passenden Moment kam dem Studenten Martin Brück, der am Dessauer Bauhaus einen Studienaufenthalt absolvierte, die richtige Idee.
In der Diplomarbeit des jungen Mannes wurde „Ferropolis, die Stadt aus Eisen“ zum ersten Mal Realität. Sie setzt auf den Erhalt der stählernen Kolosse, die den Bergleuten in der Region zum vertrauten Anblick geworden waren. Jeder für sich hat eigentlich schon das Zeug zu einer kleinen Stadt.
Das Schicksal der Bagger ist unterschiedlich. Nummer 1521, wegen seiner großen Schaufel auch Big Wheel genannt, rostet vor sich hin. 1984 gebaut steht er exemplarisch für das Ende des Bergbaus. Die vier anderen Großgeräte mit den symbolträchtigen Namen Medusa, Gemini, Little Mosquito und Mad Max rahmen die Arena von Ferropolis ein.
Eine lange Phase der Skepsis gegenüber der Stadt aus Eisen ist überwunden. In der Region identifizieren sich die Menschen heute mit dem Entstandenen. Das Gelände nebst See versteht sich als eine „industrielle Gartenlandschaft“.
Der Vergleich mit dem auf der UNESCO-Welterbeliste stehenden grünen Gartenreich Dessau-Wörlitz, das nur wenige Kilometer entfernt durch Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau im 18. Jahrhundert angelegt wurde, ist gewollt. Er schuf damals den ersten Landschaftsgarten Kontinentaleuropas.
Ferropolis hat sich auch als Zugpferd der touristischen Route „Kohle Dampf Licht“ in der Region Wittenberg erwiesen. 14 Stationen bieten Einblicke in die mitteldeutsche Industriegeschichte. Ganz gleich ob das Industriedenkmal Kraftwerk Vockerode, das Buchdorf Mühlbeck, die Piesteritzer Werkssiedlung oder der Landschaftspark Goitzsche – alle profitieren davon. Ein ehemals ökologischer Brennpunkt hat sich gewandelt. Naherholung und Kultur gehen mit den Zeugnissen der Industriekultur eine Symbiose ein.
In Piesteritz begann Anfang des 20. Jahrhunderts die industrielle Produktion von Phosphor- und Salpetersäure. Mit der Errichtung der Reichsstickstoffwerke war 1915 der Grundstein für die Düngemittelindustrie gelegt. Gleichzeitig wurde nach den Plänen des Schweizer Architekten Otto Rudolf Salvisberg eine der schönsten Werkssiedlungen Deutschlands gebaut. Bitterfeld ist eng mit dem Namen des Industriellen Walther Rathenau verbunden, der 1893 mit der Gründung der „Elektrochemischen Werke Berlin GmbH“ die chemische Industrie dorthin brachte. Wolfen gelangte durch die Filmindustrie zu Weltruhm, der erste Farbfilm wurde 1936 in der Stadt produziert.
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