Aufgeteilt in Weiß und Rot, findet der LagenCup zwei Mal im Jahr statt
Beim diesjährigen LagenCup Weiß 2021 wurden in fünf Tagen über 700 Spitzengewächse verkostet und bewertet
(hoga-presse) Der LagenCup ist ein unabhängiger Weinwettbewerb und wird vom Berliner Sommelier Serhat Aktas organisiert. Es galt wie eine ausgemachte Sache: Aus Württemberg kommen zuverlässig schmackhafte Rotweine und bisweilen solide weiße Tropfen. Dass die Region sich in den vergangenen zwanzig Jahren in vielen Teilen neuerfunden hat, ist selbst der Fachwelt entgangen. »Noch nie gab es in Württemberg solch gute Weine.« Das Zitat stammt aus dem Gault Millau WeinGuide 2003. Fast 20 Jahre her also, als sich die Fachleute bereits darüber einig waren, dass im Ländle weitaus mehr als blassrote Trollinger und deftige Lemberger erzeugt werden. Überregional wahrgenommen wurde der Qualitätsaufschwung indes nur selten.
Warum die Winzer das bisweilen nicht störte, könnte einerseits damit zu tun haben, dass sie ihre Weine stets zu guten Preisen losschlagen konnten und sich andererseits kontinuierlich anspornten, in jedem Jahr ein weiteres Mü an ihrer Güte-Schraube zu drehen. Die Mühen haben sich gelohnt. Zweifelsohne zählt der Lemberger heute neben dem Spätburgunder zu den prächtigsten Rotweinen des ganzen Landes und der Trollinger läuft bei vielen Weingütern zu neuentdeckten delikaten Höhen auf. Nach wie vor sind es rote Sorten, die in den Württemberger Weinbergen dominieren. Doch wer nun meint, den Weißweinen wird weniger Beachtung geschenkt, weil sie gleichsam wortlos im Portfolio mitlaufen und sorglos abverkauft werden können, liegt grundlegend falsch.
»Noch nie gab es in Württemberg solch gute Weine.«, schrieb damals der Gault Millau. Heute müsste es heißen: »Ob anspruchsvolle Lemberger mit Hermitage-pfefferwürziger Noblesse oder herausragend eigenständige Rieslinge – was sich in Württemberg in den letzten Jahren getan hat, ist nichts weniger als weinbewegend.« Es ist in diesem Zusammenhang ja immer gerne von sogenannten Zugpferden die Rede, wenn es stramm bergauf mit einer Weinregion geht. Keller etwa steht für den Aufstieg Rheinhessens, Van Volxem für die Saar. Württemberg hat derlei viele Protagonisten, ohne dass sie viel Aufhebens um ihre Mühen in Weinberg und Keller gemacht haben. Rainer Schnaitmann ist einer von ihnen. Den Schritt in die Selbstständigkeit wagte er 1997, kaufte viel neues Holz, worin seine Roten zu properen Kerlchen heranreifen durften.
Damals, Anfang der 2000er war das allerhand, als die behände Vermählung von deutschem Wein mit französischer Eiche meist noch recht grobschlächtig ausfiel. Schnaitmann bewies schnell ein feines Gespür dafür, wie aus süßer Toastwürze und reifer Traubenfrucht eine Delikatesse zu bereiten ist. Zurückschauend könnte man sagen, dass er damals moderne Weine gemacht hat. Die macht er auch noch heute. Sein Verständnis der Moderne indes hat sich gewandelt. Es ist die Vergangenheit, die Schnaitmann umtreibt. Was, so ließe sich die Überschrift seiner Philosophie formulieren, passiert mit meinen reifen und gesunden Trauben, wenn ich sie im Keller beinahe sich selbst überlasse? Ein mutiger Schritt, den Schnaitmann nicht nur gewagt, sondern am Ende auch auf die Flasche gebracht hat. Rotweine mit Stiel und Stängel vergoren, den Weißen eine lange Maischestandzeit gegönnt und mit ihren ureigenen Hefen vergoren, auf neues Holz verzichtet und seine Weinberge auf biologische Bewirtschaftung umgestellt.
Stets mit der Gewissheit, dass diese Maßnahmen auch Auswirkung auf den Geschmack seiner Weine haben werden. Und stets sicher auch mit der Sorge, dass sich einige seiner Kunden von seinen Weinen auch abwenden würden, weil der »natürliche Geschmack« neuerdings nicht mehr sonderlich gefragt ist, der Kunde über Jahrzehnte mit Johannisbeermarmelade und Vanille angefüttert wurde. Und bei den Weißen darf die Aprikose nicht fehlen. Die dürfe schon sein, sagt Schnaitmann, doch die Frucht sei beileibe nicht alles, was einen köstlichen Weißwein ausmache. »Es gibt so viele Faktoren, die einen Wein zu einem besonderen mache.«, sagt Schnaitmann. »Nur eines weiß ich ziemlich sicher: Je gezielter ich bei seiner Bereitung eben nicht einschreite, desto größer sind die Chancen, dass er gut gerät.«
Die Top-Ten des Weinwettbewerbs LagenCup 2021
2019 | Fellbacher Lämmler | GG | Riesling | Weingut Schnaitmann | Württemberg – 97 Punkte
»Meersalz in der Nase.« Das ist schon ein mutiger Ausspruch eines Profiverkosters, wenn der sicherlich weiß, dass Salz an sich nach überhaupt nichts riecht. Kommt das Mineral jedoch nicht raffiniert daher, kann es durchaus einen feinen Geruch in sich tragen. Salz hin oder her. Schnaitmanns Riesling wächst weder am Atlantik noch am Mittelmeer. Kann schon sein, dass auf seinen karstigen Fellbacher Schollen einmal Meerwasser geflossen ist. Ob das nach Jahrtausenden der Trocknung und Pressung noch zu schmecken ist, mag mit Fug und Recht angezweifelt werden. Ohnehin ist die sogenannte Salzigkeit im Wein eine hochsensible sensorische Angelegenheit. Ob Profi oder Laie: Jeder nimmt sie anders wahr. Sie ist, so könnte man vielleicht sagen, so etwas wie ein aromatischer Ritterschlag für einen vielschichtigen Wein, wenn der weitaus mehr als Frucht und Süße am Gaumen zu bieten hat.
»Schön trocken und karg« wusste ein anderer Verkoster zu berichten, wobei erst beim zweiten Lesen klar sein sollte, dass diese Anmerkung einen lobenden Konnex in sich trägt. Was auch deshalb wenig erstaunt, da der Lämmler seit rund 250 Millionen Jahren entsteht, ein unglaublich vielfältiges Gemenge aus Gipskeuper, Mergel und Schilfsandstein ist. Am Ende kommen diese Mineralien im Wein geschmacklich vielleicht nicht vor, sind aber nichtsdestotrotz dafür verantwortlich, dass die Reben sich dort pudelwohlfühlen und in geheimnisvoller Weise an den Wein weitergeben, der aus ihnen gewonnen wird. Einigen wir uns doch drauf, dass Schnaitmanns Riesling aus dem Fellbacher Lämmler mystisch, ja magisch schmeckt. Konkret ist damit zwar auch nichts anzufangen, aber es klingt ziemlich abenteuerlich.
»Langer Abgang« meint ein Verkoster noch zum Schluss. Wir lassen das mal noch länger so stehen.
2020 | Niersteiner Ölberg | GG | Riesling | Weingut Schätzel | Rheinhessen – 96 Punkte
Er hatte ihn eben noch im Glas, als wir Kai Schätzel über seinen Ölberg am Telefon befragen wollten. Woher stammt seine hefige, rauchige Vielschichtigkeit? Wie kommt es, dass die Verkoster ebenso »Wärme« wie »Kühle« lobend erwähnten. »Wir haben unsere Balance gefunden zwischen Reduktion und natürlicher Reife«, sagt Schätzel. Dass er seine Weinberge bereits seit etlichen Jahren biodynamisch bewirtschaftet, ist den kenntnisreichen Zechern schon lange bekannt. Schätzel hat in Weinberg und Keller einiges gewagt. Dass seine Rieslinge heute zu den begehrtesten des Landes zählen, kommt nicht von ungefähr. Sie sind das Gegenteil von gewöhnlich, nämlich außergewöhnlich. Derart spannungsgeladen und bisweilen aufbrausend, dass kontroverse Gespräche über sie zum Programm gehören.
Eines dürfte klar sein. Schätzels Rieslinge vom Roten Hang sind schmackhafte Aufreger, machen Lust auf ein Gespräch, das nicht nur über Wein handeln muss, animieren zum Anstoßen, weil sie anstoßen, sind Weine, die sich die Freiheit nehmen dürfen, damit sie so werden, wo sie gewachsen sind, sind ungekünstelte Winzerkunst. Und freilich ließen sie sich auch mal eben nebenbei trinken. Von jedermann und jeder Frau, die Wein zu schätzen wissen, aber sich um das Tatütata, das um ihn nicht selten gemacht wird, wenig scheren. Wir schließen den Kosmos deshalb mit dem pfeffrigen Zitat eines Verkosters: »Rast wie ein Formel Eins-Wagen über den Gaumen, und bleibt dennoch ewig stehen.«
Köstlichkeit vereint eben auch stets Widersprüche. Und was antwortet Kai Schätzel darauf? »Der Ölberg zählt sicherlich zu meinen zugänglichsten Großen Gewächsen aus dem Roten Hang, paart minimales Einschreiten im Weinberg mit frugalem Ausbau im Keller.«
2019 | Traiser Bastei | GG | Riesling | Weingut Gut Hermannsberg | Nahe – 96 Punkte
Die Bastei in eine Insel. Ein kleiner schmaler Streifen. Ein schroffer Ort. Auf seiner nackten Krume gedeiht nichts. Fast nichts. Ein paar Reben. Die sind hart im Nehmen. Und ob sie wirklich gedeihen, ist eine Frage der Ansicht. Denn viele Früchte tragen sie nicht. Es gibt nicht viele Menschen, die das kümmert. Die Bastei ist kein Ort, an den es den Menschen verschlägt. Dass er dort Reben gepflanzt hat, kommt einem Wunder gleich, hat schroffes Gestein gleichsam fruchtbar gemacht. Den Römern sei Dank. Es waren immer die Römer. Mindestens zwei Jahre gönnt Karsten Peters seinen Rieslingen auf der Hefe, bevor sie gefüllt und auf die Welt gebracht werden. »Weil ich darum weiß, wie viel Geduld es braucht, um einen solchen Wein werden zu lassen«, sagt Karsten Peters.
Der Mann zeichnet seit etlichen Jahren verantwortlich für die Weine von Gut Hermannsberg, ist ihr Interpreter. Ob es die Bastei ist, die ihm am liebsten ist, ist kaum zu sagen. »Aus dem Kleinsten entsteht nicht selten das Größte«, sagt er. Die Traiser Bastei umfasst nicht einmal einen Hektar. Sie ist ein rostroter Reflektor am Ufer eines kleinen Flusses. Wenn dort je eine Pflanze reife Früchte trägt, dann ist es der Wein. Je karger sein Umfeld desto besser scheint es ihm zu gefallen. »Ingwer, Rauch und Orange« notierten die Verkoster, goutierten eine »rauchig anmutende Mineralik« und fanden schlussendlich, dass dieser Wein noch unzählige Jahre benötigt, um sich voll zu entfalten.
2020 | Niersteiner Pettenthal | GG | Riesling | Weingut Rappenhof | Rheinhessen – 96 Punkte
Von »Rauch, Hefe, Kiesel, Maggikraut, Soja und Majoran« wussten die Verkoster zu berichten. Das Aroma-Rad lief heiß. »Komplex und bodenwürzig« ergänzte der nächste Weinbesserwisser. »Schwer einzufangen« brach ein anderer das köstliche Schweigen. Es hilft nichts. Am Pettenthal vom Weingut Rappenhof hatten die Verkoster beim LagenCup Weiß ordentlich zu knabbern. Und das war gut so. Köstliche Weine benötigen Zeit. In ihrer Entstehung und bei ihrem Genuss. Die Jury hat sich auch die Zeit genommen! Sie durften das auch deswegen, weil es keinen Rekord zu brechen galt, in dem möglichst viele Weine in kürzester Zeit zu beurteilen sind. Da waren Kontroversen ebenso erwünscht wie die eine oder andere Ausschweifung, die nicht immer mit dem Wein an sich zu tun haben musste. Schließlich ist der nicht selten weit mehr als Transporter seiner selbst.
Und darf das auch sein. »Konvergenz aus Kunst, Wissenschaft und Technik« nennt Elisabeth Muth ihre Philosophie. Über die Hälfte ihrer Flächen ist mit Riesling bepflanzt. Auf Löss, Kalkmergel und verwitterten Schiefer. »Wir wollen elegante, fruchtbetonte Weine mit ausgeprägtem Sorten- und Terroir-Charakter«, sagt sie. Dass der Riesling zu ihrer Lieblingssorte zählt, ist wenig erstaunlich. Keine andere Varietät nimmt den Geschmack seines Terroirs drastischer auf. »Mineralischer Unterbau, blitzende Säure, klar und fokussiert, rasant und aufregend« wusste ein Verkoster seine Begeisterung zum Ausdruck zu bringen. Warum auch nicht?
2020 | Johannisberger Goldatzel »Bestes Fass« | Riesling | Spätlese trocken | Weingut Goldatzel | Rheingau – 96 Punkte
Das »Beste Fass« vom Rheingauer Weingut Goldatzel sorgte bei den LagenCup-Verkostern für allerhand kontroverse Diskussionen. Während sich der eine an einem »altertümlichen, allzu reifen Duft« störte, lobte der nächste seine »bittersüße Saftigkeit« nebst »salzig anmutender Mineralik«. Sicherlich bekamen es die Juroren mit keinem Leichtgewicht zu tun, bei dem es schier nur darum ging, Frucht und Frische in aromatische Proportion zu setzen. Goldatzels Riesling will es dem Zecher nicht leicht machen, ist ein ebenso komplexes wie saftiges Gewächs. Die Notizen der Juroren lesen sich wie ein langer, nicht enden wollender Widerspruch: »Schmeichelnd und zurückhaltend zugleich« brachte es ein Tester nicht auf den Punkt.
Vielleicht ist es genau das, was Goldatzels Riesling ausmacht: Seine Unergründlichkeit. Der nur vermeintlich diebischen Elster aka Atzel verdankt auch das Weingut Goldatzel seinen Namen, das ebenso heißt wie die Weinlage in Johannisberg, weil dort in grauer Vorzeit einmal eine Elster ihre goldene Beute abgelegt haben soll und eben diese Stelle nach dem diebischen Schnabel benannt wurde. Die Elster gehört zu den wenigen Vögeln, die sich in einem Spiegel erkennen. Objektpermanenz sagt die kognitive Wissenschaft dazu. Da dürfen sich dann auch die sensorischen Fachleute an einem Wein abarbeiten, der vieles zu bieten hat und seine Herkunft derart kongenial spiegelt.
2018 | Friedstein | Riesling | Weingut Martin Schwarz | Sachsen – 96 Punkte
Fast hundert Jahre musste der Friedstein in Radebeul brachliegen, bevor er von Martin Schwarz wieder zum Leben erweckt wurde. Zum Weinleben müsste es besser heißen, denn gegen wuchernde Brombeeren und wildes Geäst ist zunächst einmal nichts einzuwenden. Aus einem verwilderten Hang mit einem Grund aus magerem Granit schuf Schwarz einen Weinberg und bepflanzte ihn mit Riesling und Pinot Noir. Was hier seit einigen Jahren gedeiht, darf sich zur deutschen Delikatesse zählen, ist Winzerkunst auf allerhöchstem Niveau. Über »Extraktsüße, Südfrucht und Würze« durften sich die Juroren dann auch bei diesem besonderen Wein freuen, berichteten über »elegante Kraft« ebenso wie sie seine »exzellente Länge« belobigten. Dabei zählt der Jahrgang 2018 gewiss nicht zu den einfachen.
Vor allem der Riesling litt unter zu wenig Wasser und zu großer Hitze. Doch Schwarz‘ Reben hielten nicht nur durch, sondern mauserten sich zu properen Früchten, entwickelten eine köstliche Balance aus Reife, Säure und Mineralik. Keine drei Hektar bewirtschaftet Martin Schwarz gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Grit Geißler entlang der sächsischen Weinstraße. Vornehmlich Riesling, Chardonnay, Spätburgunder und ein bisserl Traminer. Dass ihr Nebbiolo – ebenso aus dem granitkantigem Friedstein – gewonnen, in den letzten Jahren immer wieder für Furore gesorgt hat, ist letztlich nicht der homöopathischen Produktionsmenge, sondern den exzellenten Qualitäten zu verdanken, die die beiden diesem Weinberg abringen. Ihr 2018er Riesling legt davon ein weiteres köstliches Zeugnis ab.
2018 | Ungsteiner Herrenberg | GG | Riesling | Weingut Karl Schäfer | Pfalz – 96 Punkte
Das Weingut Karl Schäfer läuft nicht nur seit einigen Jahren zu köstlichen Höhen auf, sondern bedauerlicherweise auch noch viel zu häufig unter ferner Liefen. Mit ihrem Mann Job von Nell führt Nana von Nell das Weingut in Bad Dürkheim nun in der sechsten Generation. Die Umstellung auf biologische Bewirtschaftung erfolgte bereits vor etlichen Jahren. Beiden ist es wichtig, die Böden aus Basalt, Lösslehm, Buntsandstein und Muschelkalk in ihren Weinen zum Ausdruck zu bringen. Dass es Riesling und Spätburgunder sind, die ihren Weinen zu delikatem Ausdruck verhelfen, ist auch deshalb nicht erstaunlich, weil diese Sorten wie vielleicht keine anderen für deutsche Weinbaukultur stehen.
Auf Technik in Weinberg und Keller verzichten die von Nells weitestgehend. Als Kühlung genügen die klimatisch jahreszeitenunabhängigen Gewölbekeller, wilde Hefen für eine zuverlässige Angärung ihrer Weine gibt es in ihrer Umgebung zuhauf. »Süßlich anklingende Frucht, dabei ebenso rassig wie zugänglich« brachte es ein Verkoster aufs Papier, während sich ein anderer an »weihnachtliche Gewürze und südliche Früchte« und das auch noch gemeinsam erinnert fühlte. Alles auf einmal also.
»Das einzigartige Landschaftsbild zwischen Haardt und dem Rheintal können Sie also bei uns in seiner Ursprünglichkeit erleben,« sagt Nana von Nell. »Deshalb arbeiten wir ökologisch; mit dem Ziel, ein lagentypisches, funktionierendes Weinberg- und Ökosystem zu erhalten. Wir legen großen Wert auf gesunde Böden, einen gesunden Weinberg, ein funktionierendes Ganzes.«
2020 | Saarburger Schonfels | GG Riesling | Weingut Van Volxem | Mosel – 95 Punkte
Die Rieslinge von der Saar zählen mittlerweile wieder zu den köstlichsten Spezialitäten, die unser Weinland zu bieten hat. Lange Zeit war es das einzig das Weingut Egon Müller, das die Fahnen dieser Region mit seinen Scharzhofbergern hochhielt. Im Jahre 2000 kam das Weingut Van Volxem hinzu. Roman Niewodniczanski trug maßgeblich dazu bei, dass Wein von der Saar heute nicht nur mehr nachgefragt, sondern auch wieder außerordentlich gesucht ist. Der Saarburger Schonfels wurde im Zuge der Nivellierung des deutschen Weinbaugesetztes 1971 quasi von der Weinbaulandkarte gestrichen. Dabei zählt der schiefergeprägte Weinberg zu den markantesten Lagen an der Saar. Auf einer Felsklippe und rund 50 Meter hoch über dem Fluss gelegen, profitiert der Weinberg sowohl von der Wärme der Felsmauern als auch von der aufsteigenden Wärme der Saar.
Dass die Lese jedes Jahr ein schwieriges Unterfangen ist, dürften all diejenigen wissen, denen bewusst ist, dass großer Wein ebensolch große Handwerkskunst bedeutet. Mit dem Neubau des Weinguts auf dem Wiltinger Schlossberg ist 2019 eine Wirkungsstätte für Weine entstanden, die ihresgleichen sucht. Gleichsam symbiotisch wurde die Manufaktur in die Landschaft harmonisiert und ist trotzdem State oft he Art, wenn es darum geht, Form und Funktion unter einen Hut zu bekommen. »Hohe Reife, karger Boden, Trinkfluss ohne Ende«, beschreibt Niewodniczanski seinen Riesling selbst. »Salzigkeit, Rauch und tropische Früchte« fanden die Verkoster in seinem Großen Gewächs aus dem Schonfels. Niewodniczanski findet, dass man jeder seiner Pflanzen entsprechende Geduld und Sorgsamkeit entgegenbringen soll. Sein Anspruch an sich und seine Mannschaft ist hoch. Man schmeckt ihn.
2019 | Forster Ungeheuer | GG | Riesling | Weingut Reichsrat von Buhl | Pfalz – 95 Punkte
Wie kam wohl die Lage Ungeheuer zu ihrem Namen. Bekannt ist lediglich, dass sie von einem gleichnamigen Deidesheimer Amtsschreiber herrühren soll. Der Mann ist 1699 verstorben. Warum der berüchtigte Weinberg nach ihm benannt wurde, ist indes nicht vollends bekannt. Nicht einmal, ob Ungeheuer überhaupt etwas mit Wein am Hut hatte. Als Verwaltungsbeamter werden jedoch sicherlich auch die Liegenschaften der Weinbautreibenden Familien zu seinem Aufgabengebiet gehört haben. Der enorm basalthaltige Boden mit Kalkeinschlüssen ist bis heute ein Garant für große Rieslinge mit ungeheurem Reifepotenzial. Da macht auch der Ungeheuer vom Weingut Reichsrat von Buhl keine Ausnahme. Die Juroren nahmen einen »beeindruckend strukturierten« Wein wahr, der »vor reifer Zitrusfrucht nur so strotzte« und am Gaumen ein »köstlich-mineralwürziges Beben« erzeugte.
Reichsrat von Buhl ist im Besitz feinster Lagen in Forst und Deidesheim. Auf einer Fläche von rund 60 Hektar sind die Weinberge zu 80 Prozent mit Riesling bestockt, die bereits seit 15 Jahren biologisch bewirtschaftet werden. Was einerseits einen nachhaltigen und umsichtigen Umgang mit Boden und Pflanze nach sich zieht, sich andererseits aber zweifelsfrei auch auf den Geschmack der Weine niederschlägt. Wovon der 2019er Ungeheuer nun beim LagenCup Weiß köstliches Zeugnis ablegte. Seit April 2021 zeichnen Dennis Geller als Weingutsdirektor und Simone Frigerio für den Keller verantwortlich. Mit der traditionsreichen Geschichte des Weinguts wollen sie freilich nicht brechen, sind aber auch für Neues offen: »Es gibt die eine oder andere verrückte Idee, die allerdings noch etwas Reifezeit benötigen, macht es der junge Kellermeister spannend.
2019 | Erbacher Siegelsberg | GG | Riesling | Weingut Jakob Jung | Rheingau – 95 Punkte
»Komplex und mineralisch, eher steinig als fruchtig, angenehme Würze, vermutlich von der Spontangärung herrührend«, beschrieb ein Verkoster Jungs Riesling aus dem Erbacher Siegelsberg. Er musste es – anders lassen sich seine Notizen nicht deuten – mit einem vielschichtigen Wein zu tun bekommen haben. »Weinbergkräuter, Majoran und Melisse« spendierten weitere Juroren aus ihren Aromakisten, während die nächsten »saftige Säure, feines Spiel und einen salzig-herben Abgang« lobten. Grundlegend einig war sich die Expertenrunde, dass sie es mit einem exzellenten Riesling zu tun bekommen hatte. Da nehmen sich die Worte seines Machers fast bescheiden aus. Auf seiner Website schreibt Alexander Jung über den Stil seiner Weine: »Wir bieten Komplexität im Glas, ohne kompliziert zu sein. Unsere Weine sind einfach zugänglich, aber niemals banal.«
Vielleicht beschreibt Jung dabei aber nur pointiert, was die Verkoster bisweilen etwas umständlich notiert hatten. Einerlei. Der lösslehmige Siegelsberg profitiert von seiner windgeschützten und sonnenverwöhnten Lage. Was dem Winzer recht regelmäßig reife Trauben beschert, geriet im Jahrgang 2019 zu einer besonderen Herausforderung: Über ausreichende Reife seiner Trauben musste sich Jung nämlich keine Sorgen machen, vielmehr galt es jenen Lesezeitpunkt abzupassen, in der die physiologische Reife nicht überschritten wurde und die Trauben noch genügend Säure intus hatten, um zu schmackhaftem Riesling zu werden. Der Spagat ist Jung bei seinem Siegelsberg vorzüglich geglückt, vereint mineralische Kraft mit vibrierender Säure. Ein Meisterstück!
2019 | Lahrer Herrentisch | GG | Weißburgunder | Weingut Wöhrle | Baden – 95 Punkte
Es kann Fluch und Segen zugleich sein, wenn Weine aus einer bestimmten Sorte der Ruf eines kulinarischen Allrounders vorauseilen. Ein Wein, der gewissermaßen immer und zu fast jedem Gericht passt, ist einerseits eine praktische Allzweckwaffe, läuft andererseits aber Gefahr auch gewissermaßen austauschbar zu schmecken. Wie immer bestätigen Ausnahmen die Regel. Vielleicht ist es sogar so, dass der Weißburgunder Subtilität und Konsenzfähigkeit in einer Weise vereint, die ihn so in der Weinwelt einzigartig macht. Da mag Wöhrles Exemplar aus dem Lahrer Herrentisch delikates Paradebeispiel sein. Was die Juroren an diesem grandios gelungenen Weißburgunder alles fanden oder besser: in ihm fanden, gleicht einem Aroma-Feuerwerk der Extraklasse: »Intensives Spiel von Frucht und Toastwürze, etwas Pfeffer und Kakao« wusste sich der eine zu begeistern, während der nächste »fantastische Säure bei exzellent-langem Abgang« über den Klee lobte.
Wir könnten diesen kleinen Text noch mit einer Unzahl weiterer Aromen aufblasen, die von den begeisterten Verkostern in die leidenschaftliche Diskussion geführt wurden, lassen es an dieser Stelle jedoch damit einmal bewenden. Der Lahrer Herrentisch gehört zweifelsfrei zu den Spitzenlagen im Breisgau und ist auch deshalb für den Anbau von Weißburgunder prädestiniert, weil seine lösslehm- und kalkmergelhaltigen Böden beste Voraussetzungen für den Anbau distinguierter Weißburgunder bieten. Stete Winde vom östlichen Rand des Schwarzwalds und eine gleichmäßig verteilte Sonneneinstrahlung sind ebenfalls Garanten für ebenso reife, jedoch keinesfalls überreife Trauben. Auf Mutter Natur allein kann Markus Wöhrle dabei indes nicht vertrauen – und auf Chemie im Weinberg schon lange nicht mehr. Seit 1991 bewirtschaftet er seine Weinberge biologisch und beobachtet die Entwicklung seiner Reben mit akribischer Präzision. Denn Wein ist ebenso Erzeugnis unserer Kultur, wie er ohne intakte Natur endlich ist.
2019 | Iphöfer Julius-Echter-Berg | GG | Silvaner | Weingut Hans Wirsching | Franken – 95 Punkte
Wenn wir über die Menschen im deutschen Weinbau sprechen, sind heute darunter so einige Frauen. Denkt man 30 Jahre zurück, sieht dieses Bild noch anders aus. Als das Handwerk des Weinanbaus noch von Männern dominiert wird, beginnt der Weg von Andrea Wirsching. Sie ist inspirierend, strahlt enorme Kraft aus und man hält sich gerne in ihrer Gegenwart auf. Ihr Lachen ist ansteckend und so lacht man gerne mit. Ihr ganzes Engagement liegt im Weinbau und der Familie. Ehrlich gesagt, so schmecken auch ihre Weine: Voller Liebe und Energie. Vermutlich ist es eine Einbildung, aber in der Blindverkostung schmeckten ihre Weine genau so lebendig wie sie es als Mensch ist!
Das Weingut selbst steht für den fränkischen Wein und Tradition. Wenn man sich mit Wein um Iphofen beschäftig, kommt man um die Familie Wirsching nicht herum. Die Weine von Weingut Hans Wirsching haben eine samtige, dichte Struktur, sie sind feinporig und lebendig auf der Zunge. Sie bleiben lange im Mund und definieren sich nicht durch Frucht, sondern durch Salzigkeit und langlebige Frische. Sie strahlen eine innere Ruhe aus. Eigenschaften, die von Keuper und Schilfsandstein herrühren, perfekt im Wein eingefangen.
Quelle & Bild: Serhat Aktas – Sommelier & Organisator, 17.12.2021